Nach Meran

Lach- und Sackgeschichten

 

(stk) Ein Hahn mit Südtiroler Dialekt und ein Motorradfahrer mit einem sonoren Dolomitengrollen wecken die Saarländer am 6. Tag sanft aus ihren Träumen.

Schock beim Gang zum Frühstücksraum, auch die übrigen Gäste haben es sofort gemerkt. Mit der Bikertruppe des SSV Heiligenwald stimmte etwas nicht. Ohne den Bergdoktor zu konsultieren steht die Diagnose direkt fest: Fataler Muskelkater im Endstadium. Die gestrige Klettertour auf den Plattkofel hat am Bewegungsapparat der Hobbybergsteiger erhebliche Spuren hinterlassen. Und so treibt unser hölzernes Gestackse zum Frühstück fassen den Hotelgästen die Lachfalten ins Gesicht. Ja ja, wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung. Eines stand nun fest, in diesen desolaten Zustand konnte heute keine der im Vorfeld sorglich geplanten Radtouren bewältigt werden. Also musste improvisiert werden. Als Sofortmaßnahme wurde zuerst einmal die Frühstückszeit ausgedehnt. Das verschafft etwas Luft und hilft bei der Ausarbeitung eines neuen Planes. Konnten wir doch im vorigen Jahr den Radweg durch den Vinschgau wegen Zeitmangels nur zum Teil befahren, den könnten wir doch in Angriff nehmen? Der Vorschlag von Stephan war nicht ohne Hintergedanken. Erstens, müssen sich die Biker nicht sofort auf die Drahtesel schwingen sondern können noch ein Stündchen mit der Vinschgaubahn zum Start fahren, und zweitens, der Radweg geht ausnahmslos bergab. Zustimmendes nicken am Frühstücktisch. Gehart schaut noch etwas skeptisch in die Runde. Hatte er doch die gestrige Bergtortour in weiser Voraussicht gegen einen Wellnesstag eingetauscht und war so von Muskelirritationen verschont geblieben. Die Aussicht, dass der Etschtalradweg uns nach Meran führt und er die Stadt sowieso nicht kennt lies seine Bedenken verfliegen, und so zeigten letztendlich alle sechs Daumen nach oben. Ankunft in Latsch. Der Ort liegt im Herzen des Vinschgaus und ist die Burgenreichste Gemeinde Südtirols. Die Fahrräder die in der Hauptsaison mit einem extra Bikertaxi kommen werden zu allem Übel pünktlich 20 Minuten später geliefert und so bleibt den Fußlahmen nichts anderes übrig als den Etschtalradweg unter die Lenkstange zu nehmen. Mit den Ausläufern der Ötztaler Alpen und der Ortlergruupe im Rücken geht’s durch penibel angelegten Obstplantagen und traumhafte Kulissen. Gerne legen die Schönwetterfahrer immer wieder Pausen ein um die Schönheit der Landschaft digital festzuhalten. Darunter auch die Burganlage Juval, die sich seit 1983 im Besitz von Rheinhold Messner befindet, dem wohl bekanntesten Sohn Südtirols. In Töll wird die Etsch für ein Wasserkraftwerk angestaut und stürzt über die Staumauer ins Tal. Der aufsteigende Sprühnebel bringt etwas Kühlung und das Schauspiel ein dankbares Motiv. Irgendwie findet Stephan sich jetzt leichter. Der plötzlich Gewichtsverlust resultier aber nicht auf die sportliche Betätigung, sondern durch den fehlendem Rucksack auf dem Rücken, der seit dem letzten Fotoshooting 5 km zurück stehengeblieben war. Jetzt fehlt nicht nur die mitgeführte Nahrung, sondern auch der Autoschlüssel. Das wurde wohlweislich heute Morgen in der Nähe von Bozen geparkt und sollte die müden Biker wieder die 15 Steilkurven und 700 Höhenmeter zurück zum Hotel bringen. Just von dem Augenblick hatte Stephan weder Muskelkater, Konditionsschwäche noch Blut in den Adern. Das Bike gedreht und zurück zum Rucksack. Horst als Begleiter konnte das angeschlagene Tempo nur kurze Zeit mithalten und musste schließlich abreißen lassen. Wie schnell man 5 km mit dem Rad fahren kann war erstaunlich, und alsbald waren Mann und Ausrüstung wieder vereint. Die Rückfahrt zu den warteten Kameraden gestaltete sich weitaus gelassener. Blutdruck und Muskelkater wieder auf altem Zustand! Kurzzeitgedächtnis heißt so, weil man kurze Zeit an was nicht denkt, oder vielleicht war es auch Solidarität mit seinem Zimmergenossen, jedenfalls lies Franz bei der Weiterfahrt auch seinen Rucksack links liegen und radelte davon. Der wurde dann dem ziemlich verdutzt dreinschauendem Franz beim nächstem Halt von Jürgen H. nachgereicht. Ab diesem Zeitpunkt galt ein neues Abfahrsignal: Rucksackkontrolle!!!! Alsbald sahen wir Meran die, Perle Südtirols, eingerahmt zwischen den Bergen in dem Talkessel liegen. Steil und kurvenreich geht der Radweg abwärts durch Algrund bis vor die Tore der Stadt. Dem Fluss Passer folgend, empfängt uns die Kurstadt Meran mit ihrem mediterranem Flair. An der Flanierpromenade genießen wir bei Eis, Kuchen und kühlen Getränken die zweibeinigen Schönheiten der Stadt. Ich glaube hier bleiben wir sitzen. RUCKSACKKONTROLLE !!! Es geht zurück nach Steinegg. Im Hotel müssen wir heute noch das Wellnessangebot in Anspruch nehmen.

 

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